Die Abscheu gegenüber Parasiten lässt sich aus folgenden Gründen erklären:
Der Mensch ist als Opfer direkt betroffen – anders als bei den meisten Raubtieren.
Parasiten werden mit mangelnder Sauberkeit/Hygiene verbunden (z. B. Läuse, Bettwanzen, Krätze-Milben).
Viele Parasiten saugen Blut, verletzen dabei die Haut und verursachen unangenehmen Juckreiz.
Einige Parasiten übertragen gefährliche Krankheiten und zählen damit zu den tödlichsten Gefahren für den Menschen (z. B. Tsetsefliege, Tigermücke, Malariamücke).
Die Vorstellung von Parasiten, die im Körper leben, ist extrem unangenehm (z. B. Bandwürmer).
Dies sind sicher nur einige Gründe und vielleicht ist die Abscheu gegenüber Parasiten bereits in den Genen verankert.
Denn Milben, Läuse und Zecken begleiten den Menschen und seine Vorfahren bereits seit Millionen von Jahren.
Gegenbeispiele sind die Ausnahme.
Flöhe werden zum Beispiel in einigen Kulturen als Glücksbringer angesehen.
Doch die meisten Parasiten zählen zu den verhasstesten Lebewesen auf der Erde.
Sie werden vergiftet, vergast und in tödliche Fallen gelockt.
Kaum jemand hat Mitgefühl mit Zecken.
Die meist-gehassten Lebewesen
Wenn man nach den ausgestoßensten Wesen auf dem Planeten sucht, dann wird man bei Zecken, Wanzen, Milben und Läusen fündig.
Die Ehrfurcht vor dem Leben ist ein hohes Ziel und in vielen Gesetzen verankert, doch bei Parasiten und Schädlingen hört sie ganz schnell auf.
Zwar beginnen die Gesellschaften damit, mehr und mehr Tieren ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zuzusprechen.
Zum Beispiel, wenn eine kleine Robbe für ihr Fell zu Tode geprügelt wird, dann begehren einige Menschen auf.
Auch wenn Eisbären der Lebensraum schwindet, gehen die Menschen protestieren und unterzeichnen fleißig Petitionen.
Doch Unterschriftenaktionen oder Demonstrationen für Zecken, Läusen und Milben sind eher eine Seltenheit.
Wer Zecken ein Recht auf Leben zuspricht, wird schnell für verrückt erklärt oder als weltfremd belächelt – wenn nicht verachtet.
Es gibt schlicht einige „gute“ Argumente für das Töten von Parasiten.
Denn als „Schädlinge“ verursachen sie schließlich einen Schaden und das müssen sie meist mit ihrem Leben bezahlen.
Argumente, die dagegen sprechen, werden dabei schnell vergessen oder vernachlässigt.
Argumente gegen das Töten von Zecken
Es gibt jedoch auch eine ganze Reihe von Argumenten, die dafür sprechen, nicht alle Parasiten zu töten.
Doch sie sind schwerer zu finden als die Argumente, die dafür sprechen.
Deshalb werden einige hier beleuchtet – am Beispiel von Zecken.
Nutzen von Zecken für den Menschen
Zecken unterstützen die Immunabwehr.
Immer mehr Menschen leiden an Autoimmunerkrankungen und dies wird auch damit erklärt, dass das Immunsystem zu wenig zu tun hat.
Eine Zecke ist eine kleine Herausforderung für die körpereigenen Abwehrzellen und schadet einem gesunden Immunsystem nicht – im Gegenteil:
„Was nicht tötet, härtet ab!“
Davon abgesehen ist der Speichel von Zecken angefüllt mit Substanzen, die dazu taugen, medizinisch bedeutsam zu werden.
In Brasilien haben Forscher Hinweise darauf gefunden, dass im Zeckenspeichel Heilmittel gegen Krebs vorkommen.
Video: Zeckenspeichel bekämpft Krebszellen
Nutzen von Zecken in der Natur
Zecken sind zudem für viele Tiere eine Nahrungsquelle.
Wer das Töten im Kleinen rechtfertigt und durchführt, kann mit der Zeit die Ehrfurcht vor dem Leben verlieren.
Denn durch das Töten von Lebewesen verroht der Mensch und verliert seine natürliche Unschuld.
Im ersten Paragrafen des Tierschutzgesetzes heißt es:
„Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ § 1 TierSchG
Letztlich muss man sich, bevor man Tiere tötet, also die Fragen stellen:
Gibt es einen vernünftigen Grund diesem Tier zu schaden?
Oder geschieht es nur aus Unvernunft heraus?
Gibt es vielleicht vernünftigere Wege, mit einem „Schädling“ umzugehen?
Hat nicht auch er ein Recht auf Leben, vielleicht weil er nützlich ist?
Diese Fragen muss schließlich nicht nur jeder für sich beantworten, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes muss sich fragen, wem sie ein Recht auf Leben zuspricht und wem nicht.
Es gab in Deutschland eine Zeit, in der von „unwertem Leben“ ganz offen gesprochen wurde.
Diese Zeiten sind zwar vorbei, doch gehandelt wird nach dieser Annahme immer noch.
Das wird deutlich, wenn man sich mit Tierzucht beschäftigt.
Ich bin mir sicher, dass eine Zeit kommen wird, in der auch wirbellosen Tieren ein Recht auf Leben zugesprochen wird.
Denn das Mitgefühl in Gesellschaften nimmt immer mehr zu.
Immer mehr Menschen erkennen, dass es nicht nötig ist, Tieren Leid zuzufügen, um zu überleben und genug zum Essen zu haben.
Die Idee, sich nur von Pflanzen zu ernähren, ist Jahrtausende alt, doch noch nie war es so leicht wie jetzt.
Letztlich gelangt man zu der Frage: Wie groß ist mein Mitgefühl?
Übung in Mitgefühl
Zecken am Leben zu lassen, ist eine wundervolle Übung in Mitgefühl.
Zeckenhilfe ist auch deshalb entstanden, weil buddhistische Nonnen, Mönche und Laien vor einem Dilemma stehen.
Auch sie leiden ab und zu unter Zeckenbissen, Flöhen, Grasmilben, etc.
Auch sie haben Angst, sich mit Borreliose-Bakterien zu infizieren.
Gleichzeitig üben sich Mönche und Nonnen darin, alle Lebewesen zu schützen.
Sie versuchen, allen Lebewesen zu nützen und möglichst keinem Lebewesen zu schaden.
Nonnen und Mönche machen sich bewusst, wie viel Leid durch die Zerstörung von Leben verursacht wird.
Daher versuchen einige Buddhisten, folgende ‚Achtsamkeitsübung‘ zu praktizieren:
„Im Bewusstsein des Leidens, das durch die Zerstörung von Leben entsteht, bin ich entschlossen, Mitgefühl und Einsicht in das „Intersein“ zu entwickeln und Wege zu erlernen, das Leben von Menschen, Tieren, Pflanzen und unserer Erde zu schützen. Ich bin entschlossen, nicht zu töten, es nicht zuzulassen, dass andere töten, und keine Form des Tötens zu unterstützen, weder in der Welt noch in meinem Denken oder in meiner Lebensweise. Im Wissen, dass schädliche Handlungen aus Ärger, Angst, Gier und Intoleranz entstehen, die ihrerseits dualistischem und diskriminierendem Denken entspringen, werde ich mich in Unvoreingenommenheit und Nicht-Festhalten an Ansichten üben, um Gewalt, Fanatismus und Dogmatismus in mir selbst und in der Welt zu transformieren.“
Dies ist die erste Achtsamkeitsübung „Ehrfurcht vor dem Leben“ – entwickelt von Thich Nhat Hanh.
Darin finden sich sehr hohe Ziele, die in der Praxis (fast) unmöglich umsetzbar sind – das wissen auch die Nonnen und Mönche.
Dennoch ist es ihre tiefe Absicht, das Leben von Tieren und Pflanzen zu schützen und keine Form des Tötens zu unterstützen.
Für mich persönlich waren Zecken, die letzten Tiere, die ich absichtlich getötet habe.